Was ist Denken?

Im Zentrum eines Meetings stand die Frage, ob sich der Geist selbst erkennen könne. 5 Teilnehmer saßen an einem schönen Morgen beim Frühstück zusammen und besprachen einiges. Ein Teilnehmer meinte: Wir sprechen normalerweise immer nur vom linearen, gewöhnlichen, abstrakten Denken usw. Wir definieren Denken irgendwie immer durch seine Eigenschaften, aber verstehen wir tatsächlich, was Denken eigentlich ist. Und er stellte die Frage:

 

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Fragesteller:

Was ist Denken?

und fügte hinzu:

Heute ist Samstag.

Person 1:

Nein, heute ist Sonntag.

Person 2:

Das ist zwar richtig, aber morgen ist Montag und dann muss man sagen: heute ist Montag.

Person 3:

Und das ist dann auch nur abhängig vom Kalender, den man hat.

Person 4:

Daher ist das Denken nicht wahr.

Person 2:

Ich würde gerne noch ein Brötchen essen.

Person 3:

Am Nebentisch sind, glaube ich, noch welche übrig.

Person am Nebentisch

Da, nimm gleich das ganze Körbchen. (reicht das Körbchen mit den Brötchen weiter)

weitere Person am Nebentisch

Halt, du hättest noch die anderen Fragen können.

Person 2:

Danke, eins genügt mir (und versucht das Körbchen an die Person, die protestierte zurückzugeben)

Person am Nebentische (weist ab)

Danke, ich habe eh keinen Hunger mehr.

 

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Es wird gesagt so mancherlei,
zur Frage, was denn Denken sei.
Die Frage wird auf einmal nichtig,
wenn fehlende Brötchen werden wichtig.

 

Etwas kommt vor und wird bemerkt, ein Bedürfnis regt sich und verlangt nach Befriedigung. Die Frage verlangt nach Beantwortung, der Hunger verlangt nach etwas zu essen. Daran spinnt sich eine Kette von Reaktionen. Behaupten, Verneinen, Entgegensetzen, Relativieren, Verallgemeinern, Ableiten, Schlussfolgern, Wünschen, Befriedigung suchen, Akzeptieren, Widersprechen, Anzweifeln, Zurückweisen, Zurückweichen, Übereinstimmen ......

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Wenn man etwas bespricht, so einigt man sich zuvor auf ein Thema. Im Thema nimmt man das in den Blick, was zur Frage steht, eben was Thema sein soll. Dieses in-den-Blick-nehmen nennen wir Benennung des Themas. Das Thema dreht sich dabei um eine Sache. Die Sache ist das Denken. Das Thema ist, was die Sache sei. Wir wissen es nicht. Deshalb stellen wir auch die Frage. So muss man sich fragen: wie antworten? Wir wissen es nicht. Und so untersuchen wir, wie man gewöhnlich antwortet.

Gewöhnlich beginnt man mit einer Definition der Sache. Und so fragen wir uns, was es bedeutet, eine Sache zu definieren. In der Definition findet Identifikation der Sache mit einem Vorwissen statt. Die Sache wird in die Beziehung zu Dingen gestellt, die wir schon kennen. Wir fragen z.B. was ist ein Messer und geben uns die Definition: Ein Messer ist ein Werkzeug mit Griff und scharfer Klinge, mit dem es uns gelingt, eins in zwei zu teilen. Um mit der Definition etwas anfangen zu können, muss man wissen, was Werkzeug, Griff, scharf, Klinge, eins, zwei, teilen, gelingen etc. ist. Das ist das Vorwissen. Da ist die Frage, was etwas sei. Die Frage wurde gestellt, weil man es nicht weiß. In der Definition versichert man sich jedoch, dass man weiß. Man hätte also überhaupt nicht fragen zu brauchen. Jedoch fragt man und antwortet, obwohl man eh schon weiß. Beantwortet man eine Frage mit einer Definition, dann findet in Frage und Antwort die Selbstversicherung der Gültigkeit des Vorwissens in der Sache statt. Und alle weiteren Antworten, die man sich gibt um die Sache näher im Prozess der Deduktion, des Ableitens, Vergleichens zu begreifen, sind Aktionen dieser Selbstversicherung. 

Wenn wir die Frage danach, was Denken sei, nun mit einer Definition beantworten wollten, dann hat man in diesem Antworten die Selbstversicherung und Organisation des Vorwissens im Denken. Dies ist aber unmittelbare Aktion, gerade das, was Vorwissen nicht ist. Denn Vorwissen beruht auf Vergangenheit, auf Erfahrung, Abstraktion von Erfahrungen. In der Definition und dem Ableiten aus Definitionen muss daher dem Denken seine eigene Unmittelbarkeit äußerlich sein und muss ihm als unerkennbar vorkommen. In der Verschiedenheit der Bezeichnungen, die dann das Denken seiner eigenen Unmittelbarkeit gibt, versichert es sich diese Unerkennbarkeit, in der Festlegung, dass man diese Bezeichnungen nicht weiter definieren könne. Das was diese Bezeichnungen erahnen lassen, wird dann entweder als unerkennbar festgelegt, als Tatsachen, mit denen man von vornherein zu tun hat, oder das Verstehen dessen, was man hinter diesen Bezeichnungen vermutet, wird in einem Bewusstseinsraum gesucht, jenseits von Sinn und Verstand.

 

 

Vörstetten, den 13. Oktober 2004

 

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